CEO-Interview clearvise AG: „Unsere Investitions- und Liquiditätsplanung ist bis ins Jahr 2025 durchfinanziert“

CEO Petra Leue-Bahns erklärt im Management-Interview, warum sich der Kurs der clearvise Aktie im 4. Quartal 2023 so schwach entwickelt hat. Außerdem geht sie auf das aktuelle Marktumfeld ein und äußert sich zu den Wachstumsplänen des Unternehmens.

Inhaltsverzeichnis

Über das Interview

Ende November haben wir das Eigenkapitalforum in Frankfurt besucht. Dabei handelt es sich um die größte Kapitalmarktveranstaltung Deutschlands. Rund 250 börsennotierte Unternehmen haben sich vorgestellt.

Wir haben die Gelegenheit genutzt und mit einigen Vorständen Interviews geführt.

In diesem Beitrag geht es um das Management-Gespräch mit der clearvise AG. Das haben wir mit Frau Petra Leue-Bahns, der Sprecherin des Vorstands (CEO), geführt.

Geschäftsmodell der clearvise AG

Kurze Unternehmensgeschichte

clearvise, damals noch unter dem Namen ABO Invest AG, wird 2010 als „Bürgerwindaktie“ vom ebenfalls börsennotierten Projektentwickler ABO Wind gegründet. Ziel ist es, Aktionäre an den wiederkehrenden Erträgen eines Windparkportfolios von damals 57 MW teilhaben zu lassen. Bis 2017 wird das Portfolio auf 150 MW ausgebaut.

2020 erfolgt eine Neuausrichtung zum unabhängigen Stromproduzenten. Das Management wird neu besetzt, seit März 2020 leitet Petra Leue-Bahns das Unternehmen. Die ABO Wind AG ist nicht mehr der Exklusivpartner. clearvise kann jetzt mit allen Projektentwicklern zusammenarbeiten.

Geschichte der clearvise AG
Bildquelle: Investorenpräsentation, September 2023, clearvise AG

Ab 2021 geht das Unternehmen in die zweite Wachstumsphase über. Im Rahmen von zwei Kapitalerhöhungen werden die finanziellen Mittel eingesammelt, um das Portfolio auf eine Erzeugungskapazität von 199 MW auszubauen.

2022 gelingt ein nochmaliger, starker Portfolioausbau auf 303 MW Erzeugungsleistung. Das außerordentlich starke Wachstum wird mit zwei weiteren Kapitalerhöhungen finanziert. Durch den Portfolioausbau und den starken Anstieg der Strompreise steigt das EBITDA auf einen Wert von 50 Mio. EUR.

2023 erfolgt die Veräußerung der finnischen Windparks (30 MW Kapazität, ein Zehntel des Portfolios). Aufgrund von Zubau und Strompreisvolatilität war die Marktentwicklung nicht mehr im Einklang mit der Investitionsstrategie. Der Kaufpreis liegt 8 Mio. EUR über dem Buchwert. Mit diesem Verkauf schafft die clearvise AG die Grundlage, um die Wachstumspläne für 2024 und 2025 aus eigenen Mitteln finanzieren zu können.

Geschäftsmodell

Die clearvise AG ist ein unabhängiger Stromproduzent, der zahlreiche Wind- und Solarparks erworben hat und Umsatzerlöse aus dem Verkauf des erzeugten Stroms generiert.

clearvise Aktie: Aktuelles Portfolio
Bildquelle: Investorenpräsentation, November 2023, clearvise AG

Das Portfolio umfasst aktuell Anlagen mit einer Erzeugungsleistung von 274 MW, die sich in Deutschland, Frankreich und Irland befinden. Weitere 35 MW Photovoltaikkapazität befinden sich im Bau.

Jeweils rund die Hälfte der installierten Leistung verteilt sich auf Wind- und Solarparks. Der größte Teil des erzeugten Stroms wird über langfristige Einspeisevergütungen zu einem Fixpreis verkauft.

Investitionsthese

clearvise überzeugt mit der Kombination aus einem werthaltigen Portfolio und wiederkehrenden Erträgen.

Blicken wir zuerst auf das Portfolio: Zum Halbjahr 2023 betrugen die Anschaffungs- und Herstellungskosten 425 Mio. EUR. Davon wurden bereits 180 Mio. EUR abgeschrieben, sodass der aktuelle Buchwert der Anlagen 245 Mio. EUR beträgt.

In den Anfangsjahren wurden Windparks über 16 Jahre abgeschrieben, was die Gewinn- und Verlustrechnung und auch das Eigenkapital belastet.

Während die clearvise AG neuerworbene Wind- und Solarparks seit 2021 über 25 bzw. 30 Jahre abschreibt, liegt der branchenübliche Wert bei 30 bzw. 40 Jahren. Das Unternehmen ist nach wie vor sehr vorsichtig unterwegs. Oder in anderen Worten: Der tatsächliche Wert der Wind- und Solarparks ist höher, als es die Bilanz vermuten lässt.

Bestätigt wird diese Hypothese durch die Veräußerung der finnischen Windparks im Juli 2023. Das Unternehmen hat Anlagen mit einer Kapazität von 30 MW verkauft, was ziemlich genau einem Zehntel der gesamten installierten Leistung entspricht. Dabei wurde ein Preis erzielt, der den Buchwert um 8 Mio. EUR übersteigt.

Rechnet man dieses Verhältnis auf das Gesamtunternehmen hoch, ergibt sich ein aktueller Wert des Eigenkapitals, der 80 Mio. EUR über dem in der Bilanz ausgewiesenen Betrag liegt (102 Mio. EUR). 182 Mio. EUR entsprechen 2,41 EUR je Aktie. Der aktuelle Kurs von 2,11 EUR je clearvise Aktie notiert somit rund 13 % unter dem aktuellen Wert der Wind- und Solarparks. Wobei einschränkend festgehalten werden muss, dass die eben beschriebene Rechnung nur ein Rechenbeispiel ist, da die Parks alle unterschiedlich sind.

Kommen wir nun zum Punkt der wiederkehrenden Erträge.

Die clearvise AG hat für die Windparks Vollwartungsverträge abgeschlossen, die dem Unternehmen eine dauerhaft hohe Verfügbarkeit garantieren. Falls die Verfügbarkeit nicht eingehalten werden kann, wird der entgangene Ertrag über Zahlungen ausgeglichen.

Risikoarmes Geschäftsmodell der clearvise Aktie: Die Erträge sind dank Vollwartungsverträgen besonders planbar
Bildquelle: Halbjahresbericht 2023, clearvise AG

Neben der garantierten Verfügbarkeit des Anlagenparks sichern staatliche Einspeisevergütungen das Geschäftsmodell ab.

Auch wenn der Kursverlauf der clearvise Aktie etwas anderes suggeriert, handelt es sich um ein sehr risikoarmes Geschäftsmodell mit planbaren Erträgen.

Obendrauf kommt noch die Wachstumsphantasie, die sich aus dem angestrebten Portfolioausbau ergibt. Grundsätzlich gilt: Je größer ein Bestandshalter im Bereich von Erneuerbaren Energien wird, desto höher ist die Bewertung am Kapitalmarkt.

Kommen wir nun zum Interview.

Unsere Fragen an das Management der clearvise Aktie

Wie ist das aktuelle Umfeld?

Im Bereich der Windparks sind die Lieferketten weiterhin angespannt, insbesondere beim Transport der Anlagen zu ihrem Standort kommt es zu Engpässen.

Die Zinsen sind stark gestiegen, was die Finanzierung neuer Wind- und Solarparks verteuert.

Aktuelles Marktumfeld der clearvise AG
Bildquelle: Investorenpräsentation, November 2023, clearvise AG

Zwar sind die Strompreise gegenüber dem Jahr 2022 wieder deutlich gesunken, befinden sich aber weiterhin auf einem hohen Niveau.

Gerade die starken Schwankungen des Zinsniveaus und der Energiepreise führen zu Unsicherheit und erschweren die Planungen.

Was bereitet Ihnen aktuell die größten Probleme?

Die Kurse vieler kleiner und mittlerer Unternehmen sind deutlich gesunken. Besonders stark betroffen von diesem Phänomen sind Gesellschaften, die im Bereich Erneuerbarer Energien tätig sind. Auch wir können uns dieser Entwicklung nicht entziehen.

Da wir ambitionierte Wachstumspläne verfolgen, sind wir allerdings auf eine faire Bewertung der Aktie angewiesen. Nur dann ergeben Kapitalerhöhungen Sinn. Wir verfolgen eine Strategie, die Wachstum um jeden Preis ausschließt.

Allerdings sind wir aktuell sehr gut finanziert und können unsere Pläne unabhängig von der Situation am Kapitalmarkt umsetzen. Dafür verantwortlich sind:

  • die hohen Strompreise des Jahres 2022, durch die uns im letzten Jahr viel Liquidität zugeflossen ist
  • der Verkauf der finnischen Windanlagen, der ebenfalls Liquidität freigesetzt hat

Unsere Bau- und Entwicklungsprojekte sind durchfinanziert, eine Herausforderung ist jedoch, dass die Renditen der uns zum Kauf angebotenen Wind- und Solarparks noch nicht ausreichend auf den Anstieg der Finanzierungskosten reagiert haben. Deshalb fokussieren wir uns auf den Pipeline Ausbau durch clearPARTNERS, da wir einen höheren Einfluss auf die Renditen haben. Aufgrund des aktuellen Marktumfeldes bauen wir das Portfolio mit Augenmaß aus, Wachstum um jeden Preis wird es bei clearvise nicht geben.

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    Was ändert sich bei der clearvise AG in den nächsten Jahren?

    Wir werden die geographische Diversifikation durch den Markteintritt in ein oder zwei weitere Länder ausweiten. Über eine clearPARTNERS Kooperation treten wir gerade in den italienischen Markt ein.

    Was die Technologie angeht, werden wir den Anteil der Photovoltaik weiter ausbauen. Derzeit besteht unser Portfolio jeweils zur Hälfte aus Wind- und Solarparks. Als Zielwert sehen wir ein Drittel Wind, zwei Drittel Solar. Da Windanlagen mehr Strom pro installiertem Megawatt Erzeugungskapazität produzieren, erreichen wir bei dieser Aufteilung eine identische Erzeugungsmenge beider Technologien.

    Ein weiterer Vorteil der Solarparks ist, dass sie schneller realisiert werden können.

    In den kommenden Jahren werden wir zudem die Umsetzung von Batterieprojekten prüfen.

    Als letzten Punkt möchte ich noch die Verlängerung der Wertschöpfungskette nennen. Bisher haben wir die Projekte vorrangig schlüsselfertig erworben. Künftig wollen wir verstärkt mit kleineren und mittelgroßen Entwicklern über unser clearPARTNERS Modell zusammenarbeiten.

    Dabei stellen wir schon in der Planungsphase Kapital zur Verfügung und erwerben im Gegenzug die Projektrechte. Mit dem clearPARTNERS Modell können wir die Konzeption des jeweiligen Parks frühzeitig in unserem Sinne gestalten, was insbesondere die Stromabnahme und die Projektfinanzierung betrifft. Bei unseren Repowering Kooperationen sichern wir uns in der Regel ein Vorkaufsrecht auf den zukünftigen Park mit einem Discount von 10 % des Marktwertes.

    Aufgrund des niedrigen Aktienkurses ist im Markt immer wieder von Übernahmegerüchten zu hören. Was sagen Sie dazu?

    Nahezu jeden Monat rufen mich Investoren an und teilen mir ihr Interesse an der clearvise AG mit. Wir prüfen selbstverständlich ernsthafte Anfragen, im Sinne unserer Aktionäre.

    Am Ende entscheiden jedoch unsere Aktionäre, ob sie ein offizielles Übernahmeangebot für attraktiv halten oder nicht. Mit einem Streubesitzanteil von über 70 % wird es nicht genügen, nur ein paar Großinvestoren anzusprechen, was die Möglichkeit einer Übernahme erschwert.

    Viele unserer Kleinanleger sind aus Überzeugung dabei und glauben an das Zukunftspotential der clearvise AG. Falls es zu einem Übernahmeangebot kommt, wird die Annahmequote stark vom gebotenen Preis abhängen.

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    In einer Pressemeldung von Ende Oktober heißt es: „Die clearvise AG (…) informiert darüber, dass EQT Fund Management („EQT“) beim Bundeskartellamt einen Anteils- und Kontrollerwerb an der clearvise AG angemeldet hat.“

    EQT hält über die TION Renewables AG einen Anteil von gerade einmal 18 %. Wieso ist dieses Vorgehen nötig und ist der Großaktionär bereits auf der Suche nach weiteren Aktien?

    In der Vergangenheit war die Teilnahmequote auf den Hauptversammlungen der clearvise AG sehr gering. Mit einem Anteil von 18 % könnte EQT theoretisch bereits eine faktische Mehrheit auf der Hauptversammlung erlangen.

    Vielen Dank für das Interview. Wo können Anleger weitere Informationen zur clearvise Aktie finden? 

    Auf unserer Website. Dort kann sich jeder über die clearvise AG informieren, umfangreiches Download-Material nutzen und sich auf den Newsletterverteiler setzen lassen.

    Abilitato Einschätzung zur clearvise Aktie

    Hinweis: Ab hier handelt es sich um die persönliche Einschätzung der clearvise Aktie vom Autor Jonathan Neuscheler.

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