Siemens Energy Aktie im Update: Eine lange Liste von Problemen

Siemens Energy benötigt verlässliche Rahmenbedingungen. Gestörte Lieferketten sowie hohe Energie- und Rohstoffpreise belasten die Geschäftsentwicklung. Auf dem Weg zur Klimaneutralität bieten sich langfristig jedoch große Chancen. Unser Update zur Siemens Energy Aktie.

Inhaltsverzeichnis

Übersicht zur Siemens Energy Aktie

Kurs je Aktie11,20 EUR
KGV 2022e/23e-18,2/19,0
FCF-Rendite 2022e/23e-13,6 %/6,7 %
FCF-Rendite 2022e/23e1,5 %/2,7 %
ISINDE000ENER6Y0

Geschäftsmodell

Siemens Energy ist ein breit aufgestelltes Unternehmen, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette für Energietechnologie tätig ist. Konventionelle und Erneuerbare Energien befinden sich unter einem Dach.

Mit seinen Produkten hilft Siemens Energy, den steigenden Energiebedarf zu decken und gleichzeitig eine Reduktion der Treibhausgase zu ermöglichen.

Das Unternehmen ist von der Stromerzeugung über die Energieübertragung bis hin zur Energiespeicherung tätig.

Investitionsthese

Aktuell befindet sich Siemens Energy in einer Turnaround-Situation. Das Management reagiert mit verschiedenen Sanierungsmaßnahmen.

Das Unternehmen muss Verluste verkraften. Vermutlich wird der Energiekonzern schon bald Kapitalerhöhungen durchführen müssen, um die Eigenkapitalbasis zu stärken. Das erklärt, warum Siemens Energy trotz einer marktführenden Stellung und eines Umsatzvolumens von ca. 30 Mrd. EUR an der Börse nur mit 8 Mrd. EUR bewertet wird.

Mittelfristig ergeben sich große Chancen. Denn der Umbau auf eine klimaneutrale Wirtschaft steht bevor. Und der wird riesige Investitionen in Windkraftanlagen, Energienetze und Gaskraftwerke erfordern. Siemens Energy kann diese Produkte liefern und so zum Gewinner der Energiewende werden.

Falls nach einer erfolgreichen Restrukturierung die Rückkehr in eine branchenübliche Gewinnspanne von 8-10 % gelingt, würde eine Neubewertung der Aktie bevorstehen.

Wichtige KPIs zur operativen Entwicklung

Auftragseingang/Entwicklung der Nachfrage

Im letzten Quartal stieg der Auftragseingang gegenüber dem Vorjahresquartal um 60 %. Das Auftragsbuch erreichte mit einem Volumen von 93,4 Mrd. EUR einen neuen Rekordwert.

Über eine mangelnde Nachfrage kann Siemens Energy also nicht klagen. Die Probleme liegen an anderer Stelle:

Erstens hat das Unternehmen mit der Nichtverfügbarkeit einiger Zulieferteile zu kämpfen. Daher ist es zu Verzögerungen gekommen, die zu einem währungsbereinigten Umsatzrückgang von 4,7 % gegenüber dem Vorjahresquartal geführt haben.

Entwicklung der Gewinnmarge

Zweitens entwickelt sich die operative Gewinnmarge (EBITA-Marge) aufgrund einer Vielzahl von belastenden Faktoren in die falsche Richtung. Gegenüber dem Vorjahresquartal ist die Marge auf Konzernebene von -1,7 % auf nun -5,9 % gesunken.

Etwa drei Prozentpunkte des Margenrückgangs sind auf die weitgehende Einstellung der Aktivitäten in Russland zurückzuführen.

Blicken wir nun auf die um Sondereffekte bereinigte EBITA-Marge in den beiden Segmenten:

  • Im Geschäft der konventionellen Energietechnologie („Gas and Power“) wurde eine Marge von +4,4 % erwirtschaftet. Im nächsten Jahr möchte das Unternehmen bereits 6-8 % erreichen. Das Management verweist auf die zunehmend bessere Marge der sich im Orderbuch befindlichen Aufräge. In diesem Geschäft scheint der Turnaround weiterhin intakt zu sein.
  • Das Geschäft mit den Windanlagen („Siemens Gamesa Renewable Energy“) enttäuschte hingegen erneut: Die Marge erreichte einen Wert von -13,5 % (!).

Bereits seit einigen Quartalen entwickelt sich das eigentlich so zukunftsfähige Geschäft der Windenergie in die falsche Richtung. Das macht sich zuletzt auch immer stärker in der Kursentwicklung der Siemens Energy Aktie bemerkbar.

Kursentwicklung der Siemens Energy Aktie in den letzten 5 Jahren
Bildquelle: Comdirect.

Angesichts der enttäuschenden Kursentwicklung haben wir die Unternehmensdokumente einer genauen Betrachtung unterzogen.

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    Erkenntnisse aus den Quartalszahlen und dem Management Call

    Das sind die Gründe für die enttäuschende Geschäftsentwicklung

    Als produzierendes Unternehmen ist Siemens Energy auf stabile Rahmenbedingungen angewiesen. Diese liegen derzeit nicht vor. Dazu kommen einige hausgemachte Probleme.

    Die Liste an Belastungsfaktoren ist lang:

    • Russland
      • Als Reaktion auf Putins Krieg werden die Aktivitäten in Russland größtenteils eingestellt. Der Umsatz- und Gewinnbeitrag aus Russland entfällt, zudem kommt es zu einmaligen Restrukturierungskosten.
      • Die Maßnahmen sollen noch in 2022 abgeschlossen werden.
    • Rohstoff- und Energiepreise
      • In den vergangenen Jahren gab es kaum Schwankungen. Folglich wurden Verträge zu den damaligen Preisen kalkuliert. Durch den extremen Preisanstieg sind nun einige Verträge defizitär geworden.
      • Siemens Energy reagiert, indem künftig mehr Inflationsklauseln in die Verträge inkludiert werden.
    • Wettbewerb und Überkapazitäten
      • Siemens Energy übernimmt den Windanlagenbauer Siemens Gamesa vollständig. Es sollen einige tausend Stellen abgebaut werden.
      • Die Beschaffung soll langfristiger ausgerichtet werden, sodass bessere und verlässlichere Konditionen vereinbart werden können.
      • Komponenten sollen standardisiert werden.
      • Preisuntergrenzen hinsichtlich der Profitabilität von Ausschreibungen werden verstärkt eingesetzt.

    Siemens Energy arbeitet an einer Vielzahl von Maßnahmen, um die Gewinnmarge auf einen Wert von über 8 % zu heben. Doch es zeichnet sich ab, dass einige Zeit vergehen wird, bis die Änderungen ihre Wirkung zeigen.

    Aktuell erwirtschaftet Siemens Energy einen Verlust, was einen Blick auf die Bilanz notwendig macht.

    Wie steht es um die Bilanz von Siemens Energy?

    Im ersten Moment wirkt die Bilanz mit einem Eigenkapital von mehr als 15 Mrd. EUR solide. Zudem ist Siemens Energy nettoschuldenfrei.

    Doch Vorsicht: Auf der Aktivseite steht Goodwill im Umfang von über 10 Mrd. EUR. Falls dieser abgeschrieben werden muss, würde es auf der Passivseite zu einer Verringerung des Eigenkapitals kommen.

    Der Turnaround war ohnehin ein herausforderndes Unterfangen. Die durch Putins Krieg ausgelösten Verwerfungen machen die Sanierung noch schwieriger.

    Die angestrebte vollständige Übernahme von der Windanlagentochter Siemens Gamesa wird etwa 4 Mrd. EUR kosten. Davon sollen 2,5 Mrd. EUR über Kapitalerhöhungen finanziert werden.

    Angesichts eines Börsenwerts von derzeit nur 8 Mrd. EUR könnte sich die Zahl der Aktien somit um etwa ein Drittel erhöhen. Die damit einhergehende Verwässerung begrenzt das langfristige Aufwärtspotential, sobald der Turnaround gelungen ist.

    Weiterhin ist Siemens Energy auf ein Kapitalmarktumfeld angewiesen, das Kapitalerhöhungen überhaupt möglich macht.

    Langfristig besteht weiterhin großes Potential

    Die kurz- und mittelfristigen Herausforderungen werden viel Geld verschlingen. Langfristig besteht dennoch weiterhin ein großes unternehmerisches Potential.

    Denn die Mobilitäts- und Heizungsbranche sollen in den nächsten Jahren schrittweise auf elektrische Lösungen umgestellt werden. Jedes zusätzlich zugelassene E-Auto und jede neu installierte Wärmepumpe erhöhen den Stromverbrauch. Insgesamt könnte sich der Stromverbrauch in Deutschland in den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten verdoppeln.

    Entlang der Stromerzeugung, Stromübertragung und Stromspeicherung sind daher große Investitionen erforderlich. Siemens Energy hat die passenden Produkte im Angebot.

    Marktkposition von Siemens Energy
    Bildquelle: Investorenpräsentation September 2022, Siemens Energy.

    Das Unternehmen ist die weltweite Nr. 1 im Bereich der besonders wachstumsstarken Offshore-Windenergie wie auch bei effizienten Gasturbinen. Auch bei der Stromübertragung und Speicherung spielt Siemens Energy ganz vorne mit.

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    Fazit: kurz- und mittelfristig schwierig, langfristig aussichtsreich ⚠️

    Rückblickend war ich mit dem Kauf meiner ersten Position der Siemens Energy Aktie im Januar 2022 zu früh dran.

    Der im Folgemonat von Russland gestartete Angriffskrieg hat zu Verwerfungen an den Rohstoff- und Energiemärkten geführt und zudem den Rückzug aus dem russischen Markt notwendig gemacht.

    Das Geschäftsmodell von Siemens Energy benötigt jedoch verlässliche Rahmenbedingungen. Lieferketten müssen funktionieren, Einkaufspreise dürfen nicht zu sehr schwanken und die Inflation muss unter Kontrolle bleiben.

    Oftmals werden Aufträge einige Jahre vor der Fertigstellung ausgeschrieben. Wenn die Kalkulationen später nicht mehr aufgehen, belastet das die Ertragskraft. Siemens Energy passt sich nun zunehmend an das volatilere Umfeld an, doch das erfordert einige Geduld.

    Die geplante vollständige Übernahme der Windanlagentochter Siemens Gamesa macht verwässernde Kapitalerhöhungen erforderlich. Auch generell sind die Bilanzreserven durch den aufgelaufenen Verlust des Jahres 2022 geschmolzen.

    Das erhöht die Risiken und führt zu einem geringeren Auftwärtspotential, wenn der Turnaround abgeschlossen ist.

    Falls es dem Unternehmen in den nächsten 3-5 Jahren gelingt, eine operative Gewinnmarge von 8 % zu erwirtschaften, würde der Gewinn je Aktie etwa 1,90 EUR betragen. Unter der Annahme einer Bewertung mit dem 15-fachen KGV müsste der Kurs der Siemens Energy Aktie somit in einem Bereich von 28 EUR notieren.

    Diese beispielhafte Rechnung zeigt auf, dass ausgehend vom aktuellen Kurs reichlich Aufwärtspotential in der Aktie steckt.

    Daher bleibe ich weiterhin in der Siemens Energy Aktie investiert. Allerdings werde ich aufgrund der zunehmend schwächeren Bilanz und den zu erwartenden Kapitalerhöhungen vorerst keine Nachkäufe tätigen.

    Zudem sollten Anleger beachten, dass es derzeit zahlreiche andere börsennotierte Aktien gibt, die ebenfalls zu attraktiven Bewertungen erworben werden können – mit dem Unterschied, dass dort keine oder kaum operative Herausforderungen bestehen.

    Dort kann das zur Verfügung stehende Geld vermutlich mit einem besseren Chance-Risiko-Verhältnis angelegt werden.

    Trotzdem werde ich die weitere Entwicklung von Siemens Energy auf dem Abilitato Blog begleiten. Sobald erhebliche Fortschritte beim Turnaround gemacht wurden, werde ich nochmals einen Blick auf die dann vorliegende Bewertung werfen und ggf. im Anschluss einen Nachkauf tätigen.

    Alle unsere Artikel zur Siemens Energy Aktie

    Recherchequellen

    Dieser Abschnitt ist für alle, die auf eigene Faust weiter recherchieren möchten. Hier folgt eine Auflistung der wichtigsten Recherchequellen:

    RecherchequelleWas ist dort zu finden?
    AbilitatoSiemens Energy Aktienanalyse
    Aktienfinder.netGrafiken und Kennzahlen zur fundamentalen Entwicklung 
    Marketscreener.comAnalystenschätzungen zur künftigen Entwicklung
    TIKR.comGrafiken und Kennzahlen zur fundamentalen Entwicklung
    Siemens EnergyQuartalszahlen Juni 2022
    Siemens EnergyInvestorenpräsentation, September 2022
    Siemens EnergyInvestorenpräsentation, Geschäftszahlen Juni 2022
    Siemens EnergyPressemeldung: Platzierung einer Pflichtwandelanleihe
    manager magazinSiemens Gamesa streicht tausende Jobs
    WirtschaftswocheJochen Eickholt übernimmt den Windturbinenbauer
    Seeking AlphaTranskript zum Siemens Energy Q2/2022 Management Call