Übersicht Rivian Aktie
Datum | 08. Februar 2022 |
Zahl der Aktien | 900 Mio. |
Aktienkurs | 58 USD |
Marktkapitalisierung | 52.200 Mio. USD |
Nettocashposition (31.12.2021, e) | 16.400 Mio. USD |
Unternehmenswert | 35.800 Mio. USD |
ISIN | US76954A1034 |
Investitionsthese zur Rivian Aktie
Auf den Spuren von Tesla: Der Erfolg von Tesla zieht neue Konkurrenten an. Rivian ist im November 2021 an die Börse gegangen. Doch es handelt sich nicht um irgendeinen Börsengang: Amazon und Ford haben investiert. Die Kapitalausstattung ist mit 20 Mrd. Cash (!) ein Traum. Die Strategie ist klar definiert: Mit vollelektrischen Pick-ups und SUVs in Segmente vordringen, die Tesla noch nicht erschlossen hat.
Jetzt kaufen? Die Rivian Aktie schoss nach dem Börsengang steil nach oben. Mittlerweile ist der Kurs um 64 % eingebrochen. Der Unternehmenswert von Tesla ist 25-mal so hoch wie der von Rivian. Kann das Unternehmen mittelfristig zu Tesla aufschließen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Einstieg gekommen?
Vorsichtig bleiben: Trotz der anscheinend vielversprechenden Ausgangslage ist das Chance-Risiko-Verhältnis nicht gerade vorteilhaft. Welche Bedenken wir haben, erläutern wir im folgenden Artikel.
Geschäftsmodell und Strategie von Rivian
Ein etwas anderer Blogbeitrag
Üblicherweise veröffentlichen wir ausführliche Artikel. Dieser Artikel ist etwas kürzer. Das liegt daran, dass wir unsere Recherchen an einem gewissen Punkt abgebrochen haben.
Oftmals tauchen im Laufe einer Recherche immer mehr Fragezeichen und Bedenken auf. Irgendwann wird ein Punkt erreicht, ab dem eine weitere Recherche nicht mehr sinnvoll erscheint.
Bisher haben wir all diese abgebrochenen Recherchen verworfen. Ihr als Leser habt nichts davon erfahren. Das möchten wir mit diesem Artikel ändern. Denn wir glauben, dass ihr auch hier eine Menge lernen könnt. Vielleicht sogar noch mehr als bei einem „normalen“ Artikel.
Doch der Reihe nach. Der Anfang unserer Recherchen zur Rivian Aktie erschien so vielversprechend:
Rivian befindet sich in einer hervorragenden Ausgangsposition
1. Prächtige Bilanz
Rivian verfügt über mehr liquide Mittel als Tesla.
In insgesamt zehn Finanzierungsrunden hat das Unternehmen einen gewaltigen Betrag an liquiden Mitteln angesammelt. Addiert man zu den Ende des dritten Quartals vorhandenen Cashreserven den Erlös aus dem Börsengang, so ergibt sich eine Liquidität von 19,9 Mrd. (!) USD.
Doch damit nicht genug: Rivian hat zum Zeitpunkt des Börsengangs erst wenige hundert Autos produziert. Trotzdem war der Kapitalmarkt bereit, das Unternehmen mit einem derart gewaltigen Betrag an Eigenkapital auszustatten.
Dies ist der Grund, warum die US-Wirtschaft sich immer wieder erneuern kann. Nirgendwo sonst gibt es eine so ausgeprägte Bereitschaft, in bloße Ideen zweistellige Milliardenbeträge zu investieren.
Der enorme Cashbestand war der erste Grund, weshalb wir uns mit der Aktie beschäftigt haben. Denn selbst wenn der Aufbau der Automobilproduktion in den nächsten Quartalen viel Geld kosten wird: Rivian ist darauf vorbereitet.
2. Interessante Aktionärsstruktur
Amazon und Ford haben erhebliche Summen an Kapital investiert.
Amazon: Das Unternehmen hat 158,4 Mio. Rivian Aktien erworben. Das entspricht einem Anteil von 17,6 % der Rivian Aktien. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Jeff Bezos befindet sich in einem ständigen Wettbewerb mit Elon Musk (einige Beispiele: Wer hat mehr Vermögen, wer hat mehr Erfolg im Space-Bereich?). Wir können uns vorstellen, dass es Jeff Bezos Spaß machen könnte, einem direkten Konkurrenten von Elon Musk unter die Arme zu greifen.
Weiterhin hat Amazon einen Auftrag über die Herstellung von 100.000 vollelektrischen Lieferwägen an Rivian vergeben. Rivian soll Amazon dabei helfen, die CO2-Emissionen schnell zu reduzieren. Gleichzeitig sollen die Total Cost of Ownership (die gesamten Betriebskosten) der Rivian-Lieferfahrzeuge geringer sein als die der derzeit eingesetzten Fahrzeuge.
Ford hat 102 Mio. Rivian Aktien erworben. Das entspricht einem Anteil von 11,3 %. Auch dieses Investment werten wir als klaren Vertrauensbeweis in das Potential von Rivian.
3. Kursentwicklung der Rivian Aktie
Der Rivian Aktienkurs ist gegenüber dem Höchststand um 64 % eingebrochen.
Der Emissionspreis der Rivian Aktie lag bei 78 USD. Direkt nach dem Börsengang schoss die Aktie wie eine Rakete nach oben. In der Spitze erzielte der Aktienkurs einen Wert von 172 USD. Zum damaligen Zeitpunkt erreichte die Marktkapitalisierung einen Wert von 155 Mrd. USD.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Rivian erst wenige hundert Autos gebaut, wurde jedoch bereits mit einem höheren Börsenwert versehen als das aktuell wertvollste DAX-Unternehmen (Stand: 08. Februar 2022, Linde erreicht eine Marktkapitalisierung von 153 Mrd. USD).
Da soll noch irgendwer behaupten, die Börsen wären hochgradig effiziente Maschinen, an denen stets alle Informationen rational verarbeitet werden.
Es kam, wie es kommen musste: Die Rivian Aktie brach in den darauffolgenden Wochen stark ein. Zum Zeitpunkt unserer Analyse liegt der Aktienkurs bei einem Wert von 58 USD – ein Rückgang von 64 % innerhalb weniger Wochen.
Die Marktkapitalisierung ist auf einen Wert von „nur noch“ 52 Mrd. USD geschrumpft, nach Abzug der Cashposition liegt der Unternehmenswert bei 36 Mrd. USD. Tesla ist um den Faktor 25 wertvoller.
Ist jetzt also der richtige Zeitpunkt gekommen, in die Aktie zu investieren? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir erst einmal einen Blick auf das Geschäftsmodell und die Strategie von Rivian werfen.
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Geschäftsmodell von Rivian
Rivian ist ein 2009 gegründeter US-amerikanischer Hersteller von vollelektrischen Automobilen im Premium-Segment. Das Unternehmen baut, ähnlich wie Tesla, ein vollständiges Ökosystem rund um die Fahrzeuge auf.
In anderen Worten: So viel wie möglich möchte Rivian selbst erledigen, dabei nur auf wenige Zulieferer und Partner zugreifen müssen. Durch den hohen Grad an vertikaler Integration möchte Rivian eine bessere Qualität, schnellere Innovationen und geringere Kosten erreichen.
Klassischerweise greifen Automobilhersteller auf ein großes Netzwerk von Zulieferern und Partnern zurück. Dadurch lässt sich der Kapitaleinsatz absenken und die Flexibilität erhöhen.
Das Ökosystem von Rivian
Rivian möchte unter anderem folgende Punkte selbst anbieten bzw. herstellen:
- Fertigung von wichtigen Komponenten (Batteriezellen, Fahrassistenzsysteme, die Fahrzeugsoftware)
- eigener Vertrieb: Die Kunden können die Fahrzeuge innerhalb weniger Minuten direkt auf der Website konfigurieren. Der mühsame Gang zum Händler entfällt. Rivian kann den gesamten Verkaufspreis selbst einstreichen, da die Händlermarge entfällt
- Finanzierung und Versicherung: Die Kunden sollen es so einfach wie möglich haben
- Aufbau eines Schnellladenetzwerkes (analog zu den Superchargern von Tesla)
- Aufbau eines Netzwerkes an Servicestationen
Rivian wurde mit fast 20 Mrd. USD Liquidität ausgestattet. Daher kann sich das Unternehmen den Aufbau eines derart großen und komplexen Systems (zumindest in den nächsten Jahren) leisten.
Fahrzeuge
Rivian hat keine Erfahrungen in der Herstellung von Fahrzeugen. Immerhin, das Unternehmen hat einige Mitarbeiter von Tesla abgeworben, die dort bereits durch die „Produktionshölle“ hindurch mussten und nun ihre Erfahrungen einbringen können.
Umso verwunderlicher, dass Rivian gleichzeitig mit der Produktion von drei verschiedenen Fahrzeugen beginnt:
Der R1T ist ein Pick-up Truck. Während sich in der EU Fahrzeuge wie der VW Golf (und somit die Kompaktklasse) am besten verkaufen, bestellten die Amerikaner am liebsten wuchtige Pick-up Trucks. Es gab Jahre, in denen Ford mehr als eine Million Fahrzeuge der Pick-up Reihe „F Series“ verkauft hat.
Pick-up Trucks sind in den USA das größte Fahrzeugsegment. Die Kunden bringen eine besonders hohe Zahlungsbereitschaft mit. Die Gewinnmargen sind üppig.
Umso verwunderlicher, dass sich Elon Musk mit Tesla diese Gelegenheit entgehen lassen und sich zuerst für den Bau des Model 3 entschieden hat. Zwar hat Elon Musk einige Jahre später einen Prototypen des „Cybertrucks“ vorgestellt, doch im jüngsten Management-Call wurde das Projekt auf unbestimmte Zeit (mindestens auf das Jahr 2023) verschoben.
Dies liegt auch daran, dass der Cybertruck derart futuristisch und innovativ geplant ist, dass vor dem Produktionsbeginn noch eine ganze Reihe von technologischen Hürden überwunden werden muss.
Während Tesla dieses Segment (vorerst) ignoriert, hat sich Rivian positioniert. Seit 2021 produziert und verkauft Rivian als erster Hersteller weltweit einen vollelektrischen Pick-up Truck. Das folgende Video verschafft einige Eindrücke:
R1S: Neben dem Pick-up hat sich Rivian dazu entschieden, einen großen SUV auf den Markt zu bringen. Unternehmensangaben zufolge teilt sich der SUV 91 % der Komponenten mit dem Pick-up Truck.
Rivian hat eine skalierbare Bodengruppe („Skateboard“) entwickelt. Auf dieser Basis können verschiedene Fahrzeugtypen aufgebaut werden. Vom Pick-up Truck und dem SUV wurden bereits mehr als 70.000 Fahrzeuge vorbestellt.
Rivian möchte mit folgenden drei Eigenschaften überzeugen:
- Performance: Die Fahrzeuge erreichen eine Geschwindigkeit von 100 km/h in nur 3 Sekunden!
- Utility: Mit einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern sind die Fahrzeuge im Alltag nutzbar
- Efficiency: Obwohl der Pick-up Truck und der SUV gewaltige Ausmaße annehmen, soll sich der Energieverbrauch in Grenzen halten
Delivery Van: Drittens produziert Rivian Lieferfahrzeuge für Amazon. Amazon hat 100.000 Exemplare bestellt und sich am Design des Fahrzeugs beteiligt.
Produktionskapazität
Aktuell verfügt Rivian über ein Produktionswerk mit einer Kapazität von bis zu 200.000 Fahrzeugen pro Jahr.
Mitte 2022 soll der Bau des zweiten Werkes starten. Dieses Werk soll 2024 fertiggestellt werden und eine Produktionskapazität von 400.000 Fahrzeugen erreichen.
Insgesamt könnte Rivian in ca. fünf Jahren über eine Produktionskapazität von 600.000 Fahrzeugen verfügen. Das entspricht der Größe von Tesla im Jahr 2020. Rivian holt schnell auf.
Doch bis dahin ist es ein langer und ungemütlicher Weg. Aktuell liegt der Cashburn bei 1-2 Mrd. USD pro Quartal. Doch immerhin: Angesichts eines Cashpolsters von fast 20 Mrd. USD könnte die Liquidität reichen, um ohne weitere Kapitalerhöhungen eine Produktionskapazität von mehreren hunderttausend Fahrzeugen pro Jahr aufzubauen.
Vor wenigen Monaten hat Rivian mit der Produktion begonnen. Die aktuelle Produktion lag Medienberichten zufolge bis vor wenigen Tagen bei 50 Fahrzeugen pro Woche. Nun sei es dem Unternehmen aber gelungen, die Produktion auf 200 Fahrzeuge pro Woche zu erhöhen.
Das entspricht einer Jahresproduktion von 10.000 Fahrzeugen, woraus sich bei einem Verkaufspreis von 75.000 USD pro Fahrzeug ein Jahresumsatz von 750 Mio. USD ergibt.
Zudem investiert Rivian die Erlöse aus dem Börsengang in den Bau von Batteriefabriken, die Entwicklung weiterer Fahrzeugmodelle und den Aufbau der Lade- und Servicestationen.
Nachdem wir uns mit dem Geschäftsmodell und der Strategie beschäftigt haben, kommen wir nun zur Bewertung der Rivian Aktie:
Bewertung der Rivian Aktie
Es kommt auf die Chancen und Risiken an
Vor einigen Tagen haben wir auf unseren Twitter und Instagram Accounts folgenden Spruch gepostet:
Es ist gefährlich, Träume statt Cashflow und Substanz zu kaufen.
Nach vielen Jahren stark steigender Kurse schielen viele Anleger (fast) nur noch auf die Chancen. Es werden Aktien mit einem möglichst hohen Potential gesucht. Welcher Titel könnte der nächste Tenbagger werden?
Da die phantastische Kursentwicklung der letzten Jahre im Kopf einfach fortgeschrieben wird, achten diese Anleger viel zu wenig auf die Risiken, die mit einer Investition verbunden sind. „Wird schon nicht so schlimm werden“ oder „in ein paar Monaten hat sich eh alles wieder erholt“ sind typische Gedankengänge.
Wie gefährlich diese Gedanken sein können, zeigt das Beispiel von Peloton. Noch zu Beginn des Jahres 2021 träumten die Marktteilnehmer von einem scheinbar unendlichen Wachstum. Ein Jahr später notiert die Aktie 80 % tiefer.
Wann immer Anleger ausschließlich auf die Zukunftsperspektiven eines Unternehmens spekulieren („Eines Tages wird sich die Technologie schon durchsetzen“) und den aktuellen Cashflow und die Substanz vernachlässigen, baut sich im Falle eines Scheiterns eine gewaltige Fallhöhe auf. Kein Cashflow und kein werthaltiges Eigenkapital kann den freien Fall des Aktienkurses dann noch aufhalten.
Eine Coca-Cola Aktie hat viel geringere Wachstumschancen. Doch gleichzeitig ist die jährliche Cashgenerierung von ca. 10 Mrd. USD nahezu garantiert. Wann immer die Dividendenrendite der Aktie einen Wert von 4 oder 5 % übersteigt, finden sich Käufer und der Kurs findet seinen Boden. Die Risiken sind begrenzt.
Anders ist die Lage bei Rivian: Sollten sich die Zukunftspläne als nicht profitabel herausstellen, so würde der Aktienkurs maximal noch vom dann verbliebenen Cashbestand aufgefangen werden.
Bleibt die Frage offen: Wie gehen wir bei der Bewertung dieser Aktie vor? Zuerst rechnen wir ein sogenanntes Blue-Sky-Szenario durch, in dem alle Hoffnungen bzw. Zukunftspläne perfekt aufgehen. Anschließend ziehen wir davon eine Sicherheitsmarge ab.
Blue-Sky-Szenario: Wachstumspläne gehen perfekt auf
Wir gehen keinesfalls davon aus, dass dieses perfekte „blauer Himmel Szenario“ so aufgehen wird. Dennoch möchten wir die Rechnung durchführen, um ein Gefühl für das maximale Potential der Aktie zu bekommen.
Wir blicken fünf Jahre nach vorn. Dazu müssen wir einige Annahmen treffen:
Kapazität: Rivian gelingt es bis zum Jahr 2026, zwei Werke mit einer Produktionskapazität von 600.000 Fahrzeugen pro Jahr aufzubauen.
Nachfrage: Die Kunden fragen die gesamte Produktionskapazität nach. Alle Autos können verkauft werden. Der Verkaufspreis liegt bei 75.000 USD pro Fahrzeug.
Umsatz: Aus diesen beiden Annahmen ergibt sich ein Umsatz von 45 Mrd. USD.
Nettogewinnmarge: Wir gehen von einer EBIT-Marge von 10 %, sowie einer Steuerquote von 20 % aus. Somit ergibt sich eine Nettogewinnmarge von 8 % des Umsatzes bzw. ein Nettogewinn von 3,6 Mrd. USD.
Die EBIT-Marge haben wir anhand eines Peergroup-Vergleichs ermittelt.
EBIT-Margen ausgewählter Rivian-Konkurrenten im Premiumsegment
Zahl der Aktien: Angesichts einer Liquidität von fast 20 Mrd. USD gehen wir davon aus, dass keine Kapitalerhöhungen bis zum Jahr 2026 erforderlich sein werden. Somit bleibt es bei der Zahl von 900 Mio. ausstehenden Aktien.
Im Blue-Sky-Szenario erreicht Rivian in fünf Jahren einen Gewinn je Aktie von 4 USD.
Kursziel je nach KGV: Bleibt nun noch die Frage offen, was für ein KGV der Markt dem Unternehmen in fünf Jahren zugestehen wird. Wir haben erneut optimistisch gerechnet und trauen dem Unternehmen eine Bewertung mit dem 15-fachen Gewinn zu.
KGV | Kursziel |
---|---|
8 | 32 USD |
10 | 40 USD |
15 | 60 USD |
20 | 80 USD |
25 | 100 USD |
30 | 120 USD |
Somit ergibt sich in fünf Jahren ein Kursziel von 60 USD je Aktie.
Ein KGV von 15 ist für die Autobranche ziemlich hoch. Die folgende Grafik zeigt, mit welchem KGV der börsennotierte Konkurrent BMW in den letzten 10 Jahren bewertet wurde: Durchschnittlich gerade einmal mit dem 8-fachen Gewinn!
Bewertung der BMW Aktie anhand des KGVs
Fazit: Die Rivian Aktie erscheint viel zu teuer bewertet. Eigentlich müssten wir das Kursziel von 60 USD nun um zwei weitere Annahmen reduzieren:
Erstens liegt das Kursziel fünf Jahre in der Zukunft. Wer bis dahin sein Geld mit 15 % pro Jahr verzinst haben möchte, darf heute maximal 30 USD je Aktie bezahlen. Ausgehend von einem Kurs von 30 USD kann der Aktienkurs nun jährlich um 15 % pro Jahr ansteigen und erreicht so im Jahr 2026 das Ziel von 60 USD.
Zweitens haben wir in diesem Szenario unglaublich viele Annahmen getroffen. Die Autobranche ist jedoch eine äußerst schwierige Branche. Mit Sicherheit werden sich einige der Annahmen als zu optimistisch herausstellen.
Daher ist ein Sicherheitsabschlag angebracht. Zum derzeitigen Zeitpunkt würden wir mindestens 50 % vom Kursziel abziehen, da ein künftiger Erfolg keinesfalls sicher ist. Somit reduziert sich das heutige Kursziel von 30 auf 15 USD.
Damit kommen wir auch ziemlich nahe an den Wert heran, den die anderen Aktionäre pro Aktie eingezahlt haben. Bisher hat Rivian in 10 verschiedenen Finanzierungsrunden 21,9 Mrd. USD Eigenkapital erhalten. Teilt man dieses durch die 900 Mio. ausstehenden Aktien, ergibt sich ein Wert von 24 USD pro Aktie.
Jetzt wisst ihr, warum wir unsere Recherchen zu Rivian irgendwann aufgegeben haben. Obwohl der Aktienkurs bereits von 172 USD auf nur noch 58 USD eingebrochen ist, könnte er erneut um 50-75 % einbrechen.
Dennoch bleibt Rivian eine spannende Aktie, wie wir im folgenden Kapitel der Chancen und Risiken erläutern.
Chancen und Risiken einer Investition in die Rivian Aktie
Wer in Aktien investiert, setzt sich unternehmerischen Chancen und Risiken aus. Eine Investition sollte nur dann erfolgen, wenn das Chance-Risiko-Verhältnis auf Basis eigener Überlegungen als positiv eingeschätzt wird.
Chancen
🍀 Branche neu gedacht: Tesla macht es vor. Innerhalb weniger Jahre ist es Tesla gelungen, eine Marktkapitalisierung im Billionenbereich und einen Quartalsgewinn von 2,5 Mrd. USD zu erreichen. Aufs Jahr hochgerechnet entspricht das einer Ertragskraft von 10 Mrd. USD.
Rivian verfolgt eine ähnliche Strategie und könnte diesen Erfolg wiederholen. Würde es dem Unternehmen gelingen, auch nur die Hälfte des Unternehmenswertes von Tesla zu erreichen, so müsste sich die Aktie mehr als verzehnfachen.
Die Autobranche ist groß genug für mehrere Anbieter. Zumal Elon Musk die Kategorie der besonders profitablen Pick-up Trucks bisher gar nicht bedient.
Im Gegensatz zu Tesla tritt Rivian sehr erwachsen auf und macht keine unhaltbaren Versprechungen. Demgegenüber steht jedoch der Nachteil, dass der Rivian Gründer und CEO Robert Scaringe auf Twitter nur 57.000 Follower hat, während Elon Musk auf 73.000.000 Follower kommt.
🍀 Amazon und Ford als Aktionäre: Beide Großaktionäre könnten Rivian unter die Arme greifen.
Amazon könnte weitere Lieferfahrzeuge bestellen sowie die Rivian-Autos über die eigene Website vertreiben. Zudem könnte Amazon eines Tages auf die Idee kommen, Rivian vollständig zu übernehmen und so in das Triell gegen Tesla und Apple (mit dem Apple Car) einsteigen.
Amazon steht zunehmend vor der Herausforderung, die hohen Wachstumsraten beizubehalten. Der Aufbau eines neuen Auto-Segments würde neues Wachstumspotential ermöglichen. Zudem könnte das Unternehmen noch enger an die Kunden heranrücken: Neben dem Zuhause (Alexa) würde nun auch das Auto dafür sorgen, dass Amazon stets mit den Kunden verbunden bleibt.
Ford könnte bei der Entwicklung von Fahrzeugen, beim günstigen und gebündelten Einkauf von Teilen, bei der Produktion sowie beim Vertrieb und dem Service der Fahrzeuge helfen.
Ebenso ist es jedoch möglich, dass Amazon und/oder Ford ihr Aktienpaket an Rivian abstoßen. Das würde vermutlich zu einem Kursrückgang führen.
Risiken
⚠️ Unattraktive Branche: Die Automobilbranche ist aus gleich drei Gründen unattraktiv. In dieser Branche gelingt es nur sehr wenigen Unternehmen, dauerhaft Werte für die Aktionäre zu schaffen.
Zyklisch: Automobile sind Gebrauchsgegenstände. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann die Anschaffung eines neuen Autos problemlos aufgeschoben werden. Die Hersteller haben jedoch mit hohen Fixkosten zu kämpfen. Das führt dazu, dass es immer wieder schwache Jahre mit einem geringen Gewinn oder sogar einem Verlust gibt. Auch die Aktienkurse geben in solchen Zeiten nach.
Kapitalintensiv: Rivian hat bereits fast 22 Mrd. USD Kapital eingesammelt. Mit diesem Kapital wird es gerade so gelingen, eine Produktionskapazität von 600.000 Fahrzeugen aufzubauen. Es werden enorme Mengen an teurem Eigenkapital benötigt, um die Produktion aufzubauen bzw. ausweiten zu können.
Geringe Margen: In der Branche gibt es zahlreiche Anbieter, die miteinander im Konkurrenzkampf stehen. Sobald ein Anbieter eine zu hohe Gewinnmarge auf die Produkte aufschlägt, wandern Kunden zur Konkurrenz ab. Das begrenzt das Margenpotential.
Im Ergebnis ist die langfristige Aktienrendite selbst von gut geführten Unternehmen wie BMW eher durchschnittlich. Zudem kommt es aufgrund der zyklischen Natur des Geschäftsmodells immer wieder zu heftigen Kurseinbrüchen.
Auch Tesla und Rivian werden mit zunehmender Größe mit diesen Problemen zu kämpfen haben.
Langfristiger Aktienkursverlauf der BMW Aktie
⚠️ Verluste im Milliardenbereich: Aktuell hat Rivian zwar viele Pläne und Ideen, doch umgesetzt wurde erst ein kleiner Teil davon. In den nächsten Jahren ist mit Verlusten im Milliardenbereich zu rechnen.
Hohe Quartalsverluste könnten zu Kursrückgängen führen. Zudem ist noch offen, ob die aktuelle Liquidität von 19,9 Mrd. USD wirklich ausreichen wird, um eine Produktionskapazität von 600.000 Fahrzeugen aufzubauen.
⚠️ Wettbewerbsdruck könnte zunehmen: Alle großen Automobilhersteller haben die Einführung von zahlreichen elektrischen Modellen angekündigt. Sie stellen ihre Produktionskapazität Schritt für Schritt vom Verbrennungsantrieb auf elektrische Antriebe um.
Der Automobilmarkt war bisher schon hart umkämpft. Mit dem Eintritt neuer Wettbewerber wie Tesla, Rivian, Lucid usw. könnte dieser Konkurrenzdruck noch stärker ausfallen. Das würde die Gewinnmargen der einzelnen Hersteller stark begrenzen.
Die Annahme einer operativen Gewinnmarge von 10 % könnte sich als falsch herausstellen. Rivian könnte unter Umständen niemals die Gewinnschwelle erreichen.
⚠️ Product-Market Fit noch nicht geklärt: Bisher hat Rivian erst etwas mehr als 1.000 Autos gebaut. Der Beweis steht noch aus, dass die Produkte dauerhaft stark nachgefragt werden und sich im Vergleich zur Konkurrenz behaupten können.
Zwar fallen die ersten Reviews gut aus, doch sind zahlreiche Fragen (bspw. die Qualität bzw. Zuverlässigkeit der Fahrzeuge) noch ungeklärt.
Fazit zur Rivian Aktie: Spannender IPO, Unternehmen vorerst beobachten
Operative Einschätzung: Wir leben in spannenden Zeiten. Die Strategie erscheint vielversprechend, der Fokus auf die profitablen Pick-up Trucks und großen SUVs könnte sich auszahlen. Mit Amazon und Ford haben sich zwei strategische Aktionäre beteiligt. Zudem ist es Rivian gelungen, mehr als 20 Mrd. USD an Kapital einzusammeln.
Die Ausgangsposition ist hervorragend. Die ersten Feedbacks der Kunden fallen positiv aus. Die Erfolgsstory von Tesla könnte (ein Stück weit) wiederholt werden.
Einschätzung zur Bewertung: Rivian befindet sich in einer sehr frühen Phase der Unternehmensentwicklung. Bisher wurden erst etwas mehr als 1.000 Fahrzeuge hergestellt. Nun steht dem Unternehmen möglicherweise die „Produktionshölle“ bevor, durch die sich Tesla mehrere Jahre hindurchquälen musste.
Noch sind viele Fragen offen. Das Unternehmen muss erst noch den Beweis erbringen, dass es dauerhaft profitabel Fahrzeuge in großen Stückzahlen herstellen und vertreiben kann. Derzeit gibt es keine Cashgenerierung, die den Aktienkurs auffangen könnte. Das Eigenkapital liegt bei etwa 20 USD pro Aktie.
In unserem Blue-Sky-Szenario kommen wir auf einen Aktienwert von gerade einmal 15 USD, und selbst der ist keinesfalls sicher. Wer zum jetzigen Zeitpunkt Geld in die Rivian Aktie steckt, sollte sich bewusst sein, dass es sich hierbei um Venture Capital handelt, das mit besonders hohen Risiken verbunden ist.
Sollte sich jedoch abzeichnen, dass Rivian kurz vor dem Erreichen der Gewinnschwelle steht und anschließend dauerhaft profitabel arbeiten könnte, dann würden wir eine Investition erneut überprüfen.
Genau ab diesem Punkt hat der Tesla Kurs stark angezogen und sich anschließend innerhalb weniger Jahre vervielfacht. Diesen Moment wollen wir nicht verpassen. Daher werden wir die weitere Entwicklung des Unternehmens genau beobachten. Sobald sich relevante Änderungen ergeben, werden wir euch wie gewohnt in unserem Newsletter darüber informieren.
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Diesmal wollten wir aufzeigen, warum wir das Chance-Risiko-Verhältnis der Rivian Aktie für derzeit nicht vorteilhaft erachten. Hoffentlich hat euch dieser etwas andere Artikel ebenfalls einen Mehrwert gebracht.
Im nächsten Artikel werden wir wieder eine aussichtsreiche Aktie vorstellen.
PS: Kennst du schon unseren Artikel zum klimaneutralen Umbau der Wirtschaft? Darin stellen wir dir Aktien vor, die von den gewaltigen bevorstehen Investitionen profitieren könnten.
Worauf in Zukunft achten?
Ab sofort werden wir die weitere Entwicklung der Rivian Aktie verfolgen. In Zukunft sollten aus unserer Sicht folgende Punkte besonders genau beobachtet werden:
Vorbestellungen: Wie entwickelt sich die Nachfrage nach den Fahrzeugen des Unternehmens? Wird es Rivian in einigen Jahren gelingen, 600.000 Fahrzeuge jährlich abzusetzen?
Produktionskapazität und Auslieferungen: Gelingt es, die Produktion wie gewünscht hochzufahren?
Cash-Burn: Reicht die Liquidität aus? Wann zeichnet sich das Erreichen der Gewinnschwelle ab?
Konkurrenzumfeld: Wie gut sind die Pick-up Trucks von Ford, GM und (eines Tages) Tesla?
Großaktionäre: Welche Pläne verfolgen Ford und Amazon mit ihren Beteiligungen an der Rivian Aktie?
Recherchequellen
Dieser Abschnitt ist für alle, die auf eigene Faust weiter recherchieren möchten. Hier folgt eine Auflistung der wichtigsten Recherchequellen sowie der noch nicht im Verlauf der Analyse aufgeführten Quellen:
Recherchequelle | Was ist dort zu finden? |
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Aktienfinder.net | Grafiken und Kennzahlen zur fundamentalen Entwicklung |
Marketscreener.com | Analystenschätzungen zur künftigen Entwicklung |
TIKR.com | Grafiken und Kennzahlen zur fundamentalen Entwicklung |
Rivian.com | Website mit Informationen zum Unternehmen und den Produkten |
Rivian.com | Q3 2021 Shareholder Letter |
SeekingAlpha | Transkript zum Q3 2021 Earnings Call |
Bloomberg.com | Rivian erhöht die Produktion auf 200 Fahrzeuge pro Woche, Januar 2022 |
Bloomberg.com | Interview mit dem Ford CEO Jim Farley über die Rivian-Beteiligung |
YouTube | Video: Electrifying America |
YouTube | Video: Rivian R1T Car Review |