Übersicht Netflix Aktie
Datum | 20. April 2022 |
Zahl der Aktien | 453 Mio. |
Aktienkurs | 224 USD |
Marktkapitalisierung | 101.500 Mio. USD |
Nettofinanzverschuldung | 8.600 Mio. USD |
Unternehmenswert | 110.100 Mio. USD |
ISIN | US64110L1061 |
Investitionsthese zur Netflix Aktie
Was ist passiert? Netflix hat am Dienstag, den 19. April 2022 Quartalszahlen veröffentlicht. Daraufhin ist die Netflix Aktie um 36 % eingebrochen – auf einen Kurs von nur noch 224 USD.
Das hat den Kursverfall ausgelöst: Netflix kann das alte Wachstumsmodell (hohes Umsatzwachstum bei gleichzeitig steigender Marge) nicht mehr aufrechterhalten. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Beispielsweise ist die Zahl der zahlenden Abonnenten im letzten Quartal um 200.000 Kunden geschrumpft.
Wie geht es nun weiter? Kurzfristig gesehen hat das Unternehmen mit heftigem Gegenwind zu kämpfen. Das Management steuert bereits dagegen. Bis die Maßnahmen wirken können, wird einige Zeit vergehen. Die langfristigen Perspektiven scheinen intakt zu sein. Ab welchem Kurs die Aktie spannend wird, erläutern wir im Artikel.
Über diesen Artikel
Nicht alle Tage bricht eine Aktie nach der Veröffentlichung von Quartalszahlen um 36 % ein. Das hat unsere Neugier geweckt.
Wir beobachten die Netflix Aktie bereits seit einiger Zeit, haben uns bisher jedoch gegen eine Analyse entschieden. Das liegt daran, dass Netflix nach wie vor kaum Cash generiert. Trotz der fehlenden Ertragskraft hat die Bewertung zwischenzeitlich schwindelerregende Höhen erreicht.
Daher haben wir bisher stets einen Bogen um die Aktie gemacht. Mittlerweile ist das Wertpapier jedoch so stark im Kurs gefallen, dass unser Interesse geweckt wurde. Also haben wir uns ein paar Stunden Zeit genommen und etwas tiefer recherchiert.
Im Zuge der Recherchen haben wir unter anderem den Brief an die Aktionäre studiert, den Videocall des Managements angeschaut, Stimmen anderer Investoren (z. B. die von Bill Ackman) durchgelesen sowie uns eigene Gedanken gemacht.
Nun sind wir soweit und können nach einer etwas kürzeren Nacht unsere Erkenntnisse mit euch teilen. Bitte bedenkt, dass sich Netflix in einer Phase der Neuausrichtung befindet. Je nach künftiger Entwicklung kann sich unsere Sichtweise auf die Fähigkeit der künftigen Cashgenerierung des Unternehmens in Zukunft ändern.
Was ihr hier lest, sind die Einblicke in unsere Gedanken zum heutigen Stand. Was ihr daraus macht, bleibt wie immer euch überlassen.
Blick auf den Aktienkurs: Netflix Aktie bricht 36 % ein
Die langfristige Kursentwicklung der Netflix Aktie ist trotz des zuletzt sehr enttäuschenden Kursverlaufs außerordentlich gut.
Dennoch muss festgehalten werden, dass das Wertpapier auf einen Aktienkurs von nur noch 224 USD eingebrochen ist.
Damit notiert die Netflix Aktie mittlerweile ganze 68 % unter dem Allzeithoch und hat sämtliche Kursgewinne der letzten vier Jahre ausradiert.
Netflix ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Wachstumsaktien eben nicht blind gekauft werden sollten, sondern ein kritischer Blick auf die Bewertung geworfen werden muss.
Genau das ist jedoch mit dem Ausbruch der Coronakrise ab dem März 2020 vorübergehend ausgeblieben. Als zahlreiche Staaten einen Lockdown beschlossen haben, hat das zu einer Sonderkonjunktur geführt. Alternative Freizeit- und Unterhaltungsangebote (z. B. ein Restaurantbesuch mit Freunden) waren schlicht nicht mehr verfügbar.
Das Wachstum an neuen Abonnenten zog erheblich an. Der Aktienkurs hat sich in etwas mehr als einem Jahr verdoppelt. Zwischenzeitlich erreichte die Marktkapitalisierung einen Wert von mehr als 300 Mrd. USD. Bei solch einer Bewertung war im Aktienkurs eine enorm hohe Erwartung an künftiges Wachstum enthalten.
Mit der Rückkehr zu einem normalen gesellschaftlichen Leben konnte diese Erwartungshaltung nicht mehr erfüllt werden. Sowohl im Januar als auch im April 2022 fiel der Kurs der Netflix Aktie nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen erheblich.
Die Börsianer haben bei Netflix ein Sondereffekt-getriebenes Wachstum mit dem nachhaltigen Wachstum verwechselt. Uns würde es nicht wundern, wenn auch die Apple und Tesla Aktie in den nächsten Quartalen von der Realität eingeholt werden würden.
Das alte Wachstumsmodell von Netflix funktioniert nicht mehr
Entwicklung wichtiger KPIs in den letzten 5 Quartalen
Veränderung der zahlenden Mitgliedschaften (Global Streaming Paid Memberships)
Die Veränderung der zahlenden Mitgliedschaften ist einer der wichtigsten Indikatoren für den wirtschaftlichen Erfolg von Netflix. Dieser Indikator zeigt die Fähigkeit des Unternehmens an, neue Kunden in das Netflix System zu locken. Das ist deshalb von so großer Bedeutung, weil es sich um ein Geschäftsmodell mit einem hohen Fixkostenanteil handelt.
Sind die Kosten durch die zahlenden Mitglieder vollständig gedeckt, führt jedes zusätzliche Mitglied zu einem starken Gewinnanstieg.
Über die letzten Quartale hat sich das Wachstum im Bezug auf neue Abonnenten immer weiter abgeschwächt:
- Im ersten Quartal 2021 lag das Wachstum noch bei 13,6 % gegenüber dem Vorjahresquartal.
- Im ersten Quartal 2022 lag das Wachstum nur noch bei 6,7 % gegenüber dem Vorjahresquartal.
- Gegenüber dem vierten Quartal 2021 ist die Zahl der Mitgliedschaften sogar um 0,2 Mio. Kunden geschrumpft!
- Allerdings sollte dieser Wert um den Sondereffekt der 0,7 Mio. von Netflix gekündigten russischen Mitgliedschaften bereinigt werden, sodass gegenüber dem letzten Quartal ein bereinigtes Wachstum von 0,5 Mio. Kunden verbleibt.
- Dennoch liegt dieses Wachstum erheblich unter der Prognose, die bei + 2,5 Mio. Kunden gelegen hatte.
- Schlimmer noch: Für das nächste Quartal erwartet Netflix nun sogar einen Kundenschwund von bis zu 2 Mio. Kunden!
Offensichtlich gelingt es Netflix nicht mehr, jedes Quartal Millionen neue Kunden anzuziehen.
Zwar kann das Unternehmen auch durch Preiserhöhungen wachsen, doch der dafür vorhandene Spielraum ist begrenzt.
Insgesamt ist es Netflix im ersten Quartal gelungen, den Umsatz um 10 % zu steigern. Damit gleicht das Umsatzwachstum kaum noch die Inflationsrate aus. Der Nettogewinn ist sogar um 6 % gesunken. Das alte Wachstumsmodell funktioniert nicht mehr.
Das Wachstumsmodell von Netflix
Bisher hat Netflix von folgendem Modell profitiert:
- Als First Mover hat Netflix den größten Kundenstamm der Branche aufgebaut.
- Viele Kunden führen zu einem hohen Umsatz.
- Der hohe Umsatz ermöglicht große Investitionen in mehr Content.
- Der branchenführende Content hat dazu geführt, dass noch mehr neue Kunden angelockt wurden.
So ist ein Schwungrad entstanden, das Netflix in immer neue Größenordnungen wachsen lassen hat. Irgendwann war ein Punkt erreicht, bei dem der Umsatz schneller als die Content-Ausgaben gestiegen ist.
Folglich hat das Netflix Management seit vielen Quartalen immer wieder darauf hingewiesen, dass Netflix noch über viele Jahre stark wachsen könnte und die EBIT-Marge dabei jährlich um drei Prozentpunkte steigen würde.
Das ausbleibende Abonnenten-Wachstum hat diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im gestrigen Call musste das Management eingestehen, dass der Umsatz nun auf Sicht von rund zwei Jahren erheblich langsamer wachsen wird. Das begrenzt den Spielraum für steigende Content-Ausgaben. Netflix sieht in den nächsten beiden Jahren kein Potential mehr, die Marge zu erhöhen. Immerhin soll die EBIT-Marge stabil gehalten werden können.
Das steht im starken Widerspruch zur bisherigen Erwartungshaltung des Kapitalmarktes. Dieser war bis gestern Abend von einem höheren Umsatzwachstum und einer jährlichen Steigerung der Gewinnmarge ausgegangen. Daher dürfte nun eine Reihe von erheblichen Kurszielsenkungen der Analysten bevorstehen.
Das sind die Probleme im Detail
Das Wachstum von Netflix hat sich erheblich abgeschwächt. Doch warum eigentlich? Aus unserer Sicht gibt es dafür vier Gründe:
Kundenpotential in einigen Märkten nahezu ausgeschöpft
Bisher ist es Netflix gelungen, 222 Mio. zahlende Haushalte als Kunden zu gewinnen. Davon entfallen 75 Mio. auf Nordamerika. Wenn man bedenkt, dass es in Nordamerika nur ca. 120 Mio. Haushalte gibt, dann wird klar, wie sehr das Potential in einigen Märkten bereits ausgeschöpft ist.
Netflix hat gestern zudem bekanntgegeben, dass es über 100 Mio. weitere Haushalte gibt, die das Netflix Angebot zwar nutzen, dafür aber nicht bezahlen. Davon würden 30 Mio. Haushalte auf Nordamerika entfallen.
Während das Potential in vielen Schwellenländern noch nicht ansatzweise erschöpft ist, erreicht Netflix in Nordamerika fast 90 % der Haushalte, von denen 30 Mio. Haushalte jedoch keinen Cent bezahlen.
Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch, dass die Zahl der neuen Abonnenten künftig mit einer etwas geringeren Rate wachsen wird.
Netflix muss nun neue Wege des Wachstums finden, die im Wesentlichen darin bestehen, den Umsatz pro Haushalt zu erhöhen.
Wettbewerb nimmt zu
Das nächste Problem liegt im erhöhten Wettbewerb. Gewissermaßen ist Netflix ein Opfer des eigenen Erfolgs geworden. Jahrelang konnte das Unternehmen immer neue Erfolge verbuchen, während die Konkurrenten kaum etwas unternommen haben.
Irgendwann wurde der Erfolg so groß, dass die Wettbewerber ihre Strategie geändert haben und nun ebenfalls in den Streaming-Markt eingetreten sind.
Dies ist vor allem deshalb ein Problem, weil die Bildschirmzeit der meisten Kunden auf ein paar Stunden pro Tag begrenzt ist. Alle Anbieter kämpfen um diese Bildschirmzeit. Wenn ein neuer Streamingdienst auf den Markt kommt, müssen die Kunden auf andere Angebote verzichten.
Der Wettbewerb besteht aus einer Vielzahl von Angeboten:
- Andere Streamingdienste
- YouTube
- Fernsehen
- Kino
- Social Media Aktivitäten
- Gaming
- klassische Unterhaltungsformen (z. B. den Abend mit Freunden/der Familie verbringen)
Der Marktanteil von Netflix gemessen an der TV-Zeit der Amerikaner
Trotz des jahrelang starken Wachstums entfallen erst 6,4 % der TV-Zeit der Amerikaner auf das Unterhaltungsangebot von Netflix. Konkurrent Disney+ erreicht einen Wert von gerade einmal 1,7 %. Rechnet man den Streamingdienst hulu und Disney+ zusammen, ergibt sich ein Anteil von 4,7 %. Somit ist Netflix gemessen an der TV-Zeit immer noch um den Faktor 1,4 größer als der etablierte Konkurrent Disney.
Klassische TV-Sender stellen ihr Programm zunehmend auf die Streaming-Technologie um. Wären alle Anbieter gleich groß wie Netflix, so würde es neben Netflix 15 weitere Alternativen zur Unterhaltung im Videoformat geben.
Die Vielzahl an Anbietern führt dazu, dass jetzt um jeden Kunden hart gekämpft wird:
- Die Preise für den Erwerb von Film- und Serienrechten steigen, weil jeder Anbieter möglichst viel Content auf der eigenen Plattform haben möchte.
- Die Marketingkosten für die Kundengewinnung sind ebenfalls höher, weil Kunden zunehmend von anderen Anbietern abgeworben werden müssen.
- Die Kündigungsquoten steigen, weil die Kunden die Streamingdienste jederzeit kündigen und zwischen den Anbietern hin- und herwechseln können.
Dieses Problem des zu harten Wettbewerbs lässt sich kurzfristig nicht lösen. Mittelfristig muss die Zahl der Wettbewerber durch Übernahmen und Zusammenschlüsse sinken.
Zudem muss sich die Branche weiterentwickeln und mit der Einführung von Jahresabos die Kündigungsquoten reduzieren.
Das bedeutet jedoch auch: Wenn die Konsolidierung Fahrt aufnimmt, kann die Ertragskraft schlagartig nach oben springen. Dieses Muster ist in den USA bereits in verschiedenen Branchen zu beobachten gewesen.
- Eisenbahnen: Diese waren früher hart umkämpft, heute gibt es nur noch wenige Anbieter, die Milliardengewinne erwirtschaften.
- Airlines: In der Airlinebranche wurde über Jahrzehnte viel Geld verbrannt. Seit einigen Jahren gibt es mit American Airlines, Delta Air Lines, United und Southwest nur noch vier große Anbieter. Klammert man die Coronakrise aus, verdienen diese ebenfalls Milliarden.
- In der Telekombranche hat sich die Profitabilität mit der Reduktion auf drei Wettbewerber ebenfalls verbessert. T-Mobile US, Verizon und AT&T haben sich den Markt aufgeteilt.
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Kaufkraftschwund/Inflation erhöht die Kündigungsraten
Laut dem Vergleichsportal Verivox sind die Energiekosten eines deutschen Musterhaushalts innerhalb eines Jahres von 4.000 EUR auf 7.300 EUR nach oben geschossen. Damit fehlen dem durchschnittlichen Haushalt 300 EUR an monatlicher Kaufkraft, die irgendwo anders eingespart werden müssen.
Doch damit nicht genug: Laut Verivox sind bereits weitere Erhöhungen der Energiekosten von 20-40 % angekündigt worden. Auch bei anderen Gütern des täglichen Bedarfs (z. B. bei Lebensmitteln) steigen die Preise auf breiter Front.
Über den Daumen gepeilt könnten einem durchschnittlichen Haushalt 500 EUR an Kaufkraft entzogen worden sein – jeden Monat.
Die Gehaltserhöhungen gleichen diesen Effekt nicht aus. Die Kaufkraft ist gesunken. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung ist ärmer geworden. Daher müssen die Verbraucher jetzt den Gürtel enger schnallen. Am einfachsten lässt sich bei schönen, aber nicht notwendigen Produkten des zyklischen Konsums Geld einsparen.
Wenn statt vier nur noch zwei Streamingdienste abonniert werden, tut das kaum weh. Die Kündigung erfolgt bequem per Knopfdruck, die Anbieter können regelmäßig gewechselt werden, sodass die Lieblingsserien weiterhin angeschaut werden können.
Wir gehen fest davon aus, dass neben der Streamingbranche noch viele weitere Unternehmen des zyklischen Konsums mit einer raschen Abschwächung der Nachfrage zu kämpfen haben. Da werden noch einige Gewinnwarnungen auf uns zukommen.
Cashgenerierung wird überschätzt
Nun noch ein letzter Punkt. Viele Privatanleger verweisen bei Netflix auf die scheinbar so günstige Bewertung, die sich anhand des verhältnismäßig geringen KGVs ablesen lassen würde.
Das halten wir für einen Irrtum. Einerseits werden die Gewinnschätzungen nach den neuesten Zahlen erheblich nach unten angepasst werden müssen. Im letzten Quartal ist der Nettogewinn von Netflix gar um 6 % gesunken.
Anderseits ist eine spezielle Bilanzierungsregel zu beachten. Wenn Netflix Film- und Serienrechte erwirbt, muss das Unternehmen den vollen Kaufpreis bezahlen. Im Jahr 2021 hat das Unternehmen dafür einen Betrag von 17,7 Mrd. USD ausgegeben.
Diese Film- und Serienrechte werden jedoch nicht in der Gewinn- und Verlustrechung als Aufwand verbucht, sondern als Vermögenswert in der Bilanz aktiviert. Zwar erfolgt anschließend eine Abschreibung, die dann auch erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechung auftaucht. Doch lag die Höhe der Abschreibungen im letzten Jahr bei nur 12,2 Mrd. USD.
Das ist auf den Umstand zurückzuführen, dass Netflix als wachsendes Unternehmen jährlich mehr Geld für den Erwerb der Rechte ausgibt als in den vorherigen Jahren. Die Abschreibungen beziehen sich jedoch auf die vergangenen Perioden.
Infolge dessen liegt der Nettogewinn regelmäßig einige Milliarden über der tatsächlichen Cashgenerierung! Im Jahr 2021 lag der Unterschied bei enormen 5,5 Mrd. USD.
So wird im Jahr 2021 aus dem Gewinn je Aktie von 11,20 USD ein freier Cashflow von -0,90 USD. Ja, richtig gelesen: Netflix hat auch im Jahr 2021 einen Cashabfluss verkraften müssen.
Gewinn je Aktie (grün) und Free Cash Flow je Aktie (braun) der Netflix Aktie
Diese Grafik zeigt auf, dass Netflix mit Ausnahme des Jahres 2020 in den letzten Jahren jedes Jahr mit einem Cash-Burn abgeschlossen hat.
- Im Jahr 2020 hat sich aufgrund der Lockdowns die Produktion einiger Filme und Serien verschoben, sodass Netflix einmalig weniger ausgeben musste.
- 2021 ist das Unternehmen wieder zurück in den Cash-Burn-Modus gewechselt.
- Bisher erwarteten die Analysten in den nächsten Jahren einen erheblich steigenden Gewinn, der dann auch zu einem positiven Free Cash Flow geführt hätte. Wichtig für das Verständnis: Diese Schätzungen werden in den nächsten Tagen erheblich nach unten angepasst werden müssen.
Aus unserer Sicht erscheint es möglich, dass Netflix in den nächsten zwei bis drei Jahren keinen oder kaum Cashflow generieren können wird.
Jetzt haben wir genug über die Probleme gesprochen. Unser Eindruck ist: Das Netflix Management hat die Probleme erkannt und steuert bereits dagegen. Es wird jedoch einige Zeit vergehen, bis die Maßnahmen wirken. Werfen wir einen Blick auf die Chancen:
Diese Gründe sprechen für ein Investment in die Netflix Aktie
Attraktives Geschäftsmodell
Das Abo-Modell ermöglicht einen planbaren und wiederkehrenden Umsatz.
Der Großteil der Kosten ist fixer Natur. Das bedeutet: Wenn zusätzliche Kunden gewonnen werden können, kommt es zu einem starken Gewinnanstieg. Langfristig besteht das Potential, eine hohe Gewinnmarge zu erreichen.
Außerdem gibt es hohe Eintrittsbarrieren. Die Kunden erwarten eine große Content-Vielfalt. Wer in den Markt eindringen möchte, muss etliche Milliarden investieren.
Hervorragendes Management-Team
Netflix hat es bereits zweimal geschafft, das Geschäftsmodell radikal umstellen. Der erste Schritt war der Umstieg vom DVD-Verleih über den Postweg hin zu einem digitalen Streaminganbieter. Im zweiten Schritt ist das Unternehmen dazu übergegangen, zum eigenen Content-Produzenten zu werden, statt nur extern eingekauften Content auszuspielen.
Beide Male ist das Unternehmen gestärkt aus der Neuausrichtung hervorgegangen.
Generell ist unser Management-Eindruck hervorragend: Das Management stellt sich jedes Quartal sämtlichen kritischen Fragen der Investoren. Die Antworten sind offen und ehrlich und werden im Team gegeben. Anschließend wird der Videocall sogar auf YouTube hochgeladen.
Wir trauen es dem Management Team daher zu, auch die aktuellen Probleme bewältigen zu können.
Nummer 1 Position
Gemessen an allen KPIs befindet sich Netflix nach wie vor in der Nummer 1 Position im Streaminggeschäft. Kein anderes Unternehmen der Branche erreicht einen höheren Anteil der TV-Zeit der Amerikaner, mehr zahlende Haushalte, geringere Kündigungsquoten, mehr Umsatz oder mehr Gewinn.
Daher kann Netflix aus einer Position der Stärke heraus wichtige Anpassungen am Geschäftsmodell vornehmen.
Zahlreiche Wachstumsperspektiven
Mittel- und langfristig bieten sich Netflix nach wie vor zahlreiche Wachstumsperspektiven. Diese teilen wir in zwei Bereiche ein:
Zahl der Abonnenten erhöhen
Weltweit nutzen mehr als 100 Mio. Haushalte Netflix, ohne dafür zu bezahlen. Das Unternehmen entwickelt bereits Preismodelle, bei denen das Account-Sharing zwischen verschiedenen Haushalten künftig kostenpflichtig werden wird.
In den aufstrebenden Ländern besteht zudem das Potential, viele neue Kunden für das Angebot zu gewinnen.
Umsatz pro Abonnent erhöhen
Durch eine Vielzahl von Instrumenten kann Netflix den Umsatz pro Abonnent erhöhen.
- Preiserhöhungen (als Inflationsausgleich)
- Preiserhöhungen, die über die Inflation hinausgehen: Die Kosten pro gestreamter Stunde Netflix sind im Vergleich zu anderen Freizeitaktivitäten sehr gering
- Einführung teilweise werbefinanzierter Angebote
- Merch-Einnahmen (Aufbau eines digitalen Stores, in dem Fan-Artikel zu den beliebtesten Serien und Filmen erworben werden können, z. B. die Kleidung aus der Squid Game-Serie)
- Videospiele
Angesichts dieser Wachstumsperspektiven sehen wir in der Netflix Aktie durchaus einen erheblichen Wert. Wie hoch dieser Wert genau sein könnte, versuchen wir im nächsten Kapitel herauszufinden.
Unser Versuch der Bewertung der Netflix Aktie
Grundsätzlich gilt: Der Wert einer Aktie entspricht stets der erwarteten künftigen Cashgenerierung, abgezinst auf den heutigen Tag.
Einfacher gesagt: Der Wert eines Unternehmens wird von folgenden drei Parametern beeinflusst:
- Höhe der aktuellen Cashgenerierung
- Wachstum der Cashgenerierung
- Sicherheit der Cashgenerierung
Bisher gelingt es Netflix nicht, einen positiven Cashflow zu erwirtschaften. Der Wert der Aktie ergibt sich daher ausschließlich aus der Erwartungshaltung, dass Netflix eines Tages einen erheblichen Cashflow generieren können wird.
Die gestrigen Quartalszahlen haben den Beginn der cashgenerierenden Erntephase auf der Zeitachse jedoch deutlich nach hinten verschoben. Daher ist der Rückgang des Aktienkurses aus unserer Sicht durchaus gerechtfertigt.
Wir haben weiter oben im Artikel bereits erwähnt, dass der Wettbewerbsdruck in der Branche nachlassen muss, bevor es dem Unternehmen gelingen wird, erhebliche Cashflows zu generieren. Wann diese Bereinigung genau stattfindet, können wir nicht prognostizieren.
So könnte Netflix schon bald 3 Mrd. USD Free Cash Flow pro Jahr erwirtschaften
Die Einführung eines teilweise werbefinanzierten Angebots sowie die Unterbindung des kostenfreien Account-Sharings zwischen den Haushalten stellen jedoch zwei Hebel dar, mit denen Netflix die Cashgenerierung zügig verbessern können sollte.
Wenn von den 100 Mio. Haushalten, die Netflix zwar nutzen, aber nicht bezahlen, 50 Mio. Haushalte zu zahlenden Mitgliedern gemacht werden können, würde sich der Umsatz ohne zusätzliche Kosten erheblich steigern lassen.
Der durchschnittliche Netflix Abonnent zahlt für die Mitgliedschaft 140 USD pro Jahr. Wenn die bisher nicht zahlenden Haushalte nur 50 % des üblichen Preises bezahlen würden, ergäbe sich ein zusätzliches Umsatzpotential von 3,5 Mrd. USD.
Damit würde sich die Cashgenerierung von 0 auf dann ca. 3 Mrd. USD steigern lassen. Das entspricht einem Wert von 6,62 USD je Aktie. Einen 30-fachen Faktor halten wir bei Netflix für durchaus angemessen. Somit würde sich ein möglicher Wert von 90 Mrd. USD ergeben.
Das entspricht ziemlich genau einem Kurs von 200 USD je Aktie. Sollte die Netflix Aktie bis auf dieses Kursniveau sinken, könnte man das Unternehmen ohne jegliche Wachstumserwartung kaufen. Man würde dann nur dafür zahlen, dass es Netflix gelingen wird, 50 % der bisher nicht zahlenden Haushalte zu zahlenden Kunden zu konvertieren, die 50 % des regulären Preises bezahlen.
Wer vorsichtig ist, zieht von dieser Rechnung noch einen Sicherheitsabschlag/Margin of Safety von bspw. 25 % ab. Dann würde sich ein Einstieg unterhalb von 150 USD anbieten. Sämtliche andere Wachstumsperspektiven würde man umsonst ins Depot eingebucht bekommen.
Aus der Growth Aktie Netflix ist bei diesem Kurs die Value Aktie Netflix geworden. Sollte es anschließend wieder zu einer Beschleunigung des Wachstums kommen, könnte sich das Wertpapier innerhalb weniger Jahre vervielfachen.
Im Beitrag zu unserem Investmentkonzept haben wir folgendes geschrieben:
Wir suchen nach Aktien mit einem möglichst guten Chance-Risiko-Verhältnis. Idealerweise ist die gesamte Marktkapitalisierung eines Unternehmens durch werthaltiges Eigenkapital und/oder einen planbaren Free Cash Flow abgedeckt. Die derzeit weit verbreitete Praxis, wachstumsstarke Aktien (völlig unabhängig von der Bewertung) zu jedem Preis ins Depot zu kaufen, lehnen wir ab. Oftmals sind im Aktienkurs bereits so hohe Wachstumserwartungen an die künftige Entwicklung enthalten, dass die langfristige Rendite unterdurchschnittlich ausfallen dürfte.
Ein solches Einstiegsfenster der Abdeckung der Marktkapitalisierung durch einen planbaren Free Cash Flow könnte sich bei Netflix schon bald öffnen.
Fazit: Netflix Aktie beobachten, unter 200 USD wird es spannend
Nach Starbucks und Domino’s Pizza ist Netflix die dritte Aktie, bei der wir zwar langfristig erhebliches Potential sehen, kurzfristig jedoch mit operativem Gegenwind zu rechnen ist.
Wir glauben, dass es dem Management gelingen wird, die Probleme zu lösen. Allerdings wird das etwas Zeit benötigen.
Die Einführung von teilweise werbefinanzierten Angeboten, von Jahresmitgliedschaften und die Unterbindung des Account-Sharings zwischen verschiedenen Haushalten sind Maßnahmen, mit denen das Management das Unternehmen operativ stabilisieren kann.
Netflix ist der Marktführer in einem grundsätzlich attraktiven Business. Derzeit scheint es zu viele Wettbewerber auf dem Markt zu geben. Nach einer Konsolidierung besteht das Potential, hohe Cashflows für die Eigentümer zu erwirtschaften.
Bis dahin dürften erst einmal einige schwierige Quartale folgen. Nach dem heftigen Kurseinbruch der Netflix Aktie nähert sich das Wertpapier nun jedoch einem attraktiven Kursniveau an. Der genaue Wert der Netflix Aktie ist äußerst schwer abzuschätzen, da das Unternehmen aktuell noch keinen positiven Free Cash Flow erwirtschaftet.
Aus heutiger Sicht erscheint uns ein Einstiegskurs von 200 USD attraktiv zu sein. Wer noch vorsichtiger vorgehen will, zieht davon noch einen Sicherheitsabschlag von 25 % ab und steigt erst bei einem Kurs von 150 USD ein.
Wir werden die weitere Unternehmensentwicklung beobachten und in unserem kostenfreien Newsletter darüber berichten. Melde dich jetzt dafür an und verpasse keine Updates zur Netflix Aktie mehr:
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Recherchequellen
Dieser Abschnitt ist für alle, die auf eigene Faust weiter recherchieren möchten. Hier folgt eine Auflistung der wichtigsten Recherchequellen sowie der noch nicht im Verlauf der Analyse aufgeführten Quellen:
Recherchequelle | Was ist dort zu finden? |
---|---|
Aktienfinder.net | Grafiken und Kennzahlen zur fundamentalen Entwicklung |
TIKR.com | Grafiken und Kennzahlen zur fundamentalen Entwicklung |
Marketscreener.com | Analystenschätzungen zur künftigen Entwicklung |
Netflix | Q1 2022 Brief an die Investoren |
Netflix | Video: Q1 2022 Earnings Interview des Managements auf YouTube |
Google Finance | Aktienkurs der Netflix Aktie |
Netflix | Geschäftsbericht 2021 |
Pershing Square Capital Management | Der aktivistische Investor Bill Ackman berichtet über seinen Einstieg in die Netflix Aktie |
Tagesschau | Entwicklung der Energiekosten |